6. VERSCHWÖRUNGSIDEOLOGIEN UND IHRE WIRKUNGEN (digital)
Von beleidigenden Kommentaren bis hin zu gefährlichen Drohungen und Erzählungen: Die Kommunikation im Internet reduziert die Hemmschwelle für den Ausdruck von diskriminierenden, menschenverachtenden Anfeindungen und Ideologien. Das Netz bietet eine Plattform für rassistisch, oftmals antisemitisch motivierten Fehlinformationen und verschwörungsideologische Propaganda. In der Konsequenz führt die (Aus-)Nutzung des digitalen Aushandlungsraums zunehmend zu einer gesellschaftlichen Polarisierung und Spaltung. Da die sozialen Medien mittlerweile der breiten Gesellschaft als wichtige Quelle zur Meinungsbildung und Informationsbeschaffung dienen, ist die Auseinandersetzung mit Verschwörungsideologien im Netz wesentlicher Gegenstand politischer Bildungspraxis. Es fragt sich: Wie wirken Verschwörungsideologien und was ist notwendig, um einen respektvollen und diskriminierungsfreien Umgang miteinander im Netz zu stärken? Wie rassistisch und antisemitisch sind Verschwörungsideologien? Wie kann auf individueller Ebene agiert werden? Welche Wissensbestände müssen dafür geschaffen werden, um Widerstandfähigkeit zu stärken?
Erkenntnisse aus dem Themenraum
Impuls 1 / Nocun: Der Glaube an Verschwörungsideologien gibt Menschen eine Struktur: Selbst wenn alles in Scherben liegt, gibt einem der Glaube daran, Teil einer kleinen, exklusiven Gruppe zu sein, eine Verschwörung aufzudecken und die Möglichkeit, in Momentes der Unsicherheit Kontrolle zu besitzen.
Impuls 2 / Camara: Verschwörungsideologien arbeiten mit rassistischen Bildern und Unwahrheiten. Sie dienen als „Manipulationselement“ und verbreiten rassistische und/oder antisemitische Narrative. Dabei wirken sie sehr stark auf den Alltag der Menschen, die zum Feindbild stilisiert werden.
Impuls 3 / Echtermann: Verschwörungsideologien verbreiten sich durch digitale Medien immer schneller. Das investigative Recherche-Zentrum innerhalb CORRECTIV arbeitet einerseits an der Sensibilisierung dafür und leistet gleichsam Aufklärungsarbeit über aktuelle, digital verbreitete Ideologien anhand ihres ‚Faktenchecks’.
Erkenntnisse aus der Gruppenarbeit
Die Rolle der Schule wird diskutiert und dabei festgestellt: Lehrer_innen bräuchten mehr Zeit für politische Auseinandersetzungen. Nicht nur im Fach Politik, sondern auch andere Fächer sollten eine Brücke schlagen, um mangelnder Politisierung zu begegnen. Dies geht Hand in Hand mit einer Verstärkung außerschulischer politischer Bildungsarbeit. Allerdings können außerschulische Bildungsträger_innen Menschen schwerer erreichen als es die Schulen tun. Daher sprechen sich die Teilnehmenden für eine stärkere Zusammenarbeit von schulischer und außerschulischer Bildung aus.
Abschlussrunde: Welche Erkenntnisse ergeben sich in Hinblick auf die außerschulische Bildungspraxis?
Der Bedarf an Argumentationstrainings gegen Verschwörungsideologien – ähnlich wie Argumentationstrainings gegen rechte Parolen – in analogen und virtuellen Räumen werde in der Zukunft steigen. Akteur_innen der außerschulischen Bildungsarbeit sind hier besonders gefragt. Dazu gehört auch die Schulung von Lehrkräften, die oftmals vor der Herausforderung stünden, nicht sensibilisiert genug zu sein für neue Erscheinungsformen von Verschwörungsideologien und -gruppierungen. Daher würden zunächst verschwörungsideologische Symboliken nicht erkannt.
Abschlussrunde: Was bedeutet das für eine diversitätssensible Bildung?
Im diversitätssensiblen Bildungskontext müssen klare Grenzen gezogen werden: Antisemitische und/oder rassistische Verschwörungsideologien sollen keinen Platz erhalten. Dabei ist wichtig, dass Nichts-Tun oftmals als Zustimmung gewertet wird. In Gruppen bestehe die Gefahr, dass Verschwörungsideologien aufgrund von Gruppenzwang auf Zustimmung stießen. Viele der Ideologien können marginalisierte Gruppen aus den Klassenverbänden betreffen (z.B. Jüdinnen und Juden) und bergen daher Gefahr für sozialen Ausschluss.
Personen
Expertin für Rassismus, Antisemitismus, rechte Gewalt und politische Jugendbildung.
Wirtschafts- und Politikwissenschaftlerin im Spannungsfeld Digitalisierung und Demokratie